Die Arten der Steißhühner oder Tinamus bilden eine zu den Urkiefervögeln
gehörende und in Süd- und Mittelamerika verbreitete Ordnung und Familie
der Vögel. Es sind sehr altertümliche Vögel, die in Anpassung an ein
zurückgezogenes Leben als Bodenbewohner eine große äußerliche
Ähnlichkeit mit den Hühnervögeln erworben haben. Trotz ihrer hühnerartigen
Gestalt sind ihre nächsten Verwandten die Laufvögel.
Eine Reihe anatomischer Merkmale (z.B. der Bau des knöchernen Gaumens,
Verschmelzung mehrerer Rückenwirbel, keine Hakenfortsätze an den Rippen,
Beckenskelett ähnlich dem des Kiwis, d.h. Sitz- und Schambein sind nicht
vollständig miteinander verwachsen) grenzen die Steißhühner von allen
modernen Vögeln ab, so daß die Zoologen ihnen eine eigene Ordnung der
Vögel zuweisen.
Steißhühner haben zwar einen gut ausgebildeten Brustbeinkamm und
entsprechend viel Flugmuskulatur; ihr Herz aber ist im Verhältnis zur
Körpergröße das kleinste in der Vogelwelt. Auch die Blutmenge ist
verhältnismäßig gering, so daß die Versorgung der Brustmuskulatur mit
Sauerstoff nicht ausreicht, um einen andauernden Flug zu ermöglichen.
Die Schwanzfedern sind sehr kurz und bei vielen Arten sogar unter den
Oberschwanzdecken verborgen (daher der Name); auch die Flügel bleiben
kurz und rund, sie sind recht kräftig gewölbt. Steißhühner haben ein sehr
dichtes und meistens unauffällig tarnfarbiges Gefieder. Braune und graue
Farbtöne herrschen vor, oft mit unauffälliger Streifen- oder Fleckenzeichnung.
Bei manchen Arten gibt es einen geringfügigen Geschlechtsdimorphismus in
der Form, daß die Streifung beim Weibchen etwas deutlicher oder das
Gefieder etwas heller ist. Puderdunen und Bürzeldrüse sind gut entwickelt.
Die Größe der Steißhühner schwankt je nach Art zwischen 14 cm und 53 cm,
das Gewicht zwischen 40 g und 2 kg. Der Körperbau ist sehr kompakt, mit
einem schlanken Hals, einem leicht verlängerten Kopf und einem abwärts
gebogenen Schnabel. Manche Arten haben einen aufrichtbaren Schopf.
Die Beine sind mittellang und stämmig. Mit diesen können sie recht schnell
laufen. Fast ihr ganzes Leben verbringen Steißhühner am Boden. Sie können
zwar fliegen manchen von ihren Flügeln aber selten Gebrauch, da sie schnell
ermüden und keine langen Flüge oder Läufe durchhalten.
Bei Gefahr bringen die Steißhühner sich geschickt in dichtem Unterholz in
Sicherheit oder drücken sich bewegungslos, einige Arten mit erhobenen Hinterteil,
in Bodenvertiefungen und Erdhöhlen. Nur bei allergrößter Bedrohung fliegen sie
überraschend schnell davon, um nach kurzem Flug wieder in schützende
Deckung einzufallen.
Die Steißhühner leben meist in Wald- und Buschlandschaften, des tropischen
Amerika, einige wenige Arten haben sich jedoch an die ausgedehnten
Grasebenen und die kühleren Hochgebirgslagen der Anden angepaßt. Die
Verbreitung reicht also vom zentralen und südlichen Argentinien, nach Chile,
sowie noch Norden bis ins zentrale und nordöstliche Mexiko.
Steißhühner nehmen in etwa die ökologische Nische der Hühnervögel ein.
Sie ernähren sich von Pflanzenmaterialien verschiedener Art (Früchte, Samen,
Triebe, Blätter, Knospen, Blüten, Wurzeln, Knollen), sowie von kleineren
Wirbellosen Tieren (Ameisen, Termiten, Käfern, Heuschrecken, Insektenlarven,
Schnecken, Regenwürmern). Die größeren Arten fressen vereinzelt auch kleine
Wirbeltiere wie Eidechsen, Schlangen, Frösche und Mäuse.
Das Futter wird gelegentlich mit dem Schnabel ausgegraben, niemals jedoch -
wie Hühnervögel - mit ihren kräftigen Füßen freigeschart. Der Schnabel ist
ziemlich klein, schmal und leicht abwärts gekrümmt. Ein großer Kropf und
Blinddärme sorgen für die Aufbereitung der vielseitigen Kost.
In der Fortpflanzungsbiologie unterscheiden sich Steißhühner wesentlich von
den meisten anderen Vögeln. Obwohl bei vielen Arten die Geschlechter gleich
aussehen, gibt es doch welche, deren Weibchen größer als die männlichen Tiere
werden. Immer noch ist sehr vieles der Fortpflanzungsbiologie der Steißhühner
unerforscht, man kann aber sagen das weitaus die meisten Arten ungesellig
leben, nur wenige bilden kleinere Gruppen. Zur Brutzeit geben die Männchen
andauernd ihre melodischen, klanghaften Rufe von sich und locken so legereife
Weibchen in ihr Revier. Die Männchen paaren sich mit allen Weibchen, die das
Revier betreten. Mehrere Weibchen legen ihre Eier - glänzende und einfarbig
grün, blau, grau, braun, türkis, purpurn, violett oder gelbe gefärbte Gebilde, mit
fast symmetrisch geformten Polen - in ein gemeinsames Bodennest (insgesamt
bis zu 12 Eier, selten auch mehr) und überlassen dem Männchen das Brutgeschäft
und die Aufzucht der Jungen. Wahrscheinlich versorgt bei den meisten
Steißhuhnarten ein Weibchen hintereinander mehrere brutbereite Männchen.
Das hätte zufolge, das die Männchen nicht immer ihren eigenen Nachwuchs
aufziehen. Die nach einer Brutzeit von 16 bis 21 Tagen, je nach Art, schlüpfenden
Küken, läuft schon bald nach dem Schlupf mit dem Altvogel umher. Es nimmt
von Anfang an selbständig Nahrung auf und drückt sich bei Gefahr auf einen
Warnruf hin dicht auf den Boden.
Steißhühner ziehen meist mehrere Junge hintereinander auf; sobald nach etwa
3 Wochen die Jungvögel selbständig geworden sind, locken die Männchen erneut
Brutpartner herbei. Die Nester werden zumeist gut in dichter Deckung versteckt;
nur wenige Arten formen eine regelrechte Nistmulde aus Pflanzenstoffen. Bei den
meisten Arten legen die Weibchen ihre Eier in ungepolsterte, bereits vorhandene
oder selbstgebaute flache Bodensenken.
Steißhühner werden nach ihrer Lebensweise und Anpassung an die unterschiedlichen
Lebensräume der geschlossenen tropischen Wälder einerseits und der offenen
Grassteppen bzw. Hochgebirgslagen andererseits in 2 Unterfamilien eingeteilt.
1. Die Waldsteißhühner (Tinaminae) mit den 3 Gattungen Tinamus, Nothocercus
und Crypturellus.
2. Die Steppensteißhühner (Rhynchotinae) mit den 6 Gattungen Rhynchotus,
Nothoprocta, Nothura, Taoniscus, Eudromia und Tinamotis.